Eine Mumie, tausende Totenschädel und beinahe im „Nature“.
Im Jahre 1998 hat mir mein Freund Jurian Hoogewerff ziemlich überraschend eröffnet, dass er persönlich Knochenproben vom Oberschenkel der Gletschermumie Ötzi entnommen hat und mich zur Mitarbeit eingeladen. Ziel war es, durch die Untersuchung stabiler Isotopen (Strontium, Sauerstoff und Kohlenstoff) in Verbindung mit einer Spurenelementanalyse das letzte Domizil des Gletschermannes zu ermitteln.
Da das Probenmaterial vom Ötzi natürlich kostbarer als Gold, nein eher als Diamanten, ist, musste er sehr sorgsam damit umgehen. Die Methode mit der ich damals arbeitete, war die Totalreflexion-Röntgenfluoreszenz-Spektrometrie (TXRF/TRFA). Einer der größten Vorteile dieser Messmethode ist es, dass sie nur sehr geringe Probemengen für die Analyse benötigt.
So dürfte ich für meine Untersuchung 6 mg von einem der kostbarsten archäologischen Funde der Menschheit in Salpetersäure auflösen. Jetzt brauchten wir noch Vergleichsmaterial von Menschen, die in diese Gegend lebten und deren Knochenzusammensetzung durch anthropogene Umwelteinflüsse nicht verändert wurden. Die bekamen wir vom Naturhistorischen Museum in Wien. Sie wurden aus einer Sammlung alter Schädelknochen entnommen. In einem riesigen Saal, der dem Publikum nicht zugänglich war und in den abertausende toten Schädel lagerten, entnahmen wir Vergleichsproben von historischen Tirolern. Die Ergebnisse wollten wir im vielleicht wichtigsten Wissenschaftsmagazin der Welt präsentieren, im „Nature“… das gelang uns leider nicht, aber das „Journal of Archaeological Science“ ist ja auch nicht so schlecht (siehe unten).
Es war ein grandioses Gefühl, 5 tausendstel Gramm einer Legende, einer Kostbarkeit der Menschheit in einem kleinen Kunststoffgefäß auflösen zu dürfen... aber es war nicht umsonst!